Woher kommt Schach? Entstehung des Spiels.

Das Spiel der Könige hat eine lange Tradition. Egal ob in Turnieren, ob als Gesellschaftsspiel oder als Meisterwerk von Holzarbeitern und Schnitzern, Schach geht Jahrhunderte zurück. Doch vielen von uns ist gar nicht bewusst, dass wir mit jeder Figur, die wir berühren, mit jedem Zug, den wir ausführen, ein Teil der Menschheitsgeschichte und der Gesellschaft als solches sind. Deswegen haben wir einige Fakten zusammengetragen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Schach ist älter als wir alle, und das muss gewürdigt werden.

Die ältesten Überlieferungen gehen bis in das sechste Jahrhundert nach Christus zurück. Schach stammt, wenn man der Forschung hier vertraut, in seiner Urform aus Indien. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass Schach nicht von einer einzelnen Person zu einem konkreten Zeitpunkt erfunden wurde. Viel mehr hat sich Schach aus verschiedenen Einflüssen allmählich entwickelt. Im alten Indien war vor 1.400 Jahren das Spiel Chaturanga zurück. Hier wurde auf dem uns bekannten 8x8 Spielfelder großen Spielbrett mit Figuren gespielt, die ähnlich zu unseren modernen Formaten wirken. Der Raja, also der König, der Mantri, der Berater (heutzutage die Dame), der Ratha, der Wagen (heute als Turm bekannt), der Gaja, der Elefant (heute als Läufer verwendet), der Ashva, heute das Pferd oder der Springer und die Padati, die Soldaten oder Bauern, die Frontlinie bildeten eine Mannschaft. Die Zugweisen waren teilweise unterschiedlich zu denen, die wir heute kennen. Allerdings gibt der Name Aufschluss darüber, wie das Spielprinzip von Schach angedacht war. Im Sanskrit bedeutet Chaturanga etwas wie vierteilig. Vierteilig deswegen, weil unser Schach pro Mannschaft eine typische Heersaufstellung darstellt. Die Fußsoldaten, also die Bauern, bilden die erste Reihe, sind in der Gruppe schlagkräftig, können aber in der Not der Rettung anderer zum Opfer fallen. Die Kriegselefanten, die Läufer, sicherten die Monarchen und galten als besonders schlagkräftig und schwer besiegbar, da sie kräftiger waren als der Großteil der restlichen Truppen.

Die Reiter, die Springer, sind die Kavallerie, die schnelle Eingreiftruppe des Heeres, während die Streitwagen, auch als Türme bei uns bekannt, die Flanken sicherten und ein wahres Feuerwerk an Gewalt ablieferten. Schach in seiner ursprünglichen Form war also viel eher als Schlachtsimulation und Strategiespiel gedacht, als als Massenphänomen. Eine gute Kriegstaktik musste geschult werden, im alten Indien begann man damit schon vor Jahrhunderten.

Die ersten Verbreitungen fanden durch die erobernden Araber statt, die als Invasoren Asiens durch Gewalt und Krieg fremde Kulturen weitertrugen und sich offensichtlich die besten Elemente einer jeden Kultur aneigneten. Schließlich haben sie auch die Spielprinzipien geklaut, die zu unserem modernen Schach geführt haben. Die Araber veröffentlichten erste Abhandlungen über Anfangs- und Endpositionen der Figuren, sozusagen einen Lageplan der Schlachtaufstellung. Von den Arabern stammt auch der Ausdruck „das Spiel der Könige“, damals beziehungsweise wörtlich übersetzt aber als „das Spiel der höchsten Klasse“ bezeichnet.

Nach den Arabern fand das Schachspiel auch seinen Weg nach Europa. Über das damalige Konstantinopel wurden einzelne Spielbretter mitsamt Figuren höchstwahrscheinlich von Reisenden verschifft und so im Land verteilt. Durch das Spiel, welches keine Worte oder aufgeschriebenen Regeln benötigte, war die Erklärung auch relativ leicht, sodass europäische Gelehrte schnell Gefallen am Spiel fanden. Die ältesten Regeln, die in Europa gefunden wurden und auf Schach schließen lassen, stammen aus dem 9. Jahrhundert nach Christus und stammen aus dem italienischen Raum. Deutschland war etwas später dran. Etwa 1050 nach Christus wurden Aufzeichnungen in deutschen Klostern über das Spiel der Könige gemacht. Schach hat innerhalb von ein paar Jahrhunderten die Welt erobert und fand bei jedem mit Rang und Namen großen Anklang.

Die frühe Neuzeit verpasste Schach dann einen Auftrieb, den es längst gebraucht hat. Die Gangart der Spielfiguren änderte sich und näherte sich zusehends dem Bewegungsmuster an, was wir heute im gegenwärtigen Schach kennen. Schach gewann so an Tempo und wurde wirksamer für eine breitere Öffentlichkeit. Fachbücher wie die Göttinger Handschrift, die circa um 1500 veröffentlicht wurden, gelten als die ersten Regelwerke des modernen Schachspiels. Am Königshof vom König Philipp dem 2. von Spanien wurde 1575 das erste internationale Schachturnier ausgerichtet. Schon damals kamen Gelehrte aus allen Ecken der Welt und wollten ihr Können untereinander messen. Dieses Turnier und die folgenden waren wichtig für den Prestigewert eines Herrschers, da ähnlich wie bei den olympischen Spielen das Können der Landsmänner auch irgendwo Rückschlüsse auf das Können des Landes als solches zuließ. Im Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts wurde Schach schließlich der breiten Masse auch als selbstständige Spieler zugänglich. Durch die Erfindung des Staunton-Schach 1849 wurde schließlich die Schachart gefunden, die auch heute noch die Mainstreamspielart auf Wettkämpfen und im Handel ist. Sie äußert sich vor allem durch das uns allen bekannte Design der Spielfiguren. Staunton-Schach wurde schließlich 1924 im Gründungsjahr des Weltschachverbandes als offizielles Spiel des Verbandes eingetragen und aufgenommen. Somit wurde Staunton-Schach das Gesicht einer ganzen Sportart. Wer darüber mehr wissen will, der klickt sich durch unseren Blog. Dort haben wir Staunton-Schach einmal genauer vorgestellt und erklärt, warum Staunton-Schach eigentlich kaum etwas mit dem Namensgeber Howard Staunton zu tun hat.

In unserem Jahrhundert ist Schach nicht mehr wegzudenken. Schachpartien werden gefilmt und live per Stream und im TV übertragen, Schachweltmeister geben Autogramme und werden gefeiert. Zugegeben, sie sind bei weitem nicht so berühmt wie Fußballstars, wichtig sind sie aber allemal. Amtierender Weltmeister ist Magnus Carlsen. Er ist viermaliger Weltmeister (2013,14,16 und 18) Partien, in denen er mehrere Menschen in Handumdrehen, innerhalb weniger Sekunden schachmatt setzt, gehen millionenfach auf sozialen Netzwerken viral, er ist Gast in Talkshows und Interviewformaten aller Art. Das alles wegen Schach, wegen schnellem Denken und einem noch klügeren Kopf.

Schach ist im Mainstream angekommen. Heutzutage öffentlich und medial bewundert, durch Organisationen wie den Schachverband gestützt und in jedem Land auffindbar, doch wie aus der Geschichte hervorgeht, ist das nicht erst seit gestern so. Seit Jahrhunderten hat Schach es geschafft, zu wachsen und sich gesellschaftlich zu etablieren. Wäre man jetzt poetisch, könnte man sagen, Schach hat die zivilisierte Menschheit schon seit einiger zeit begleitet. Genauso hat sich das allseits bekannte Brettspiel weiterentwickelt, ähnlich wie die Spieler drumherum.

Jeder von uns hat andere Berührungspunkte mit Schach. Ob es die Verbindung zu den Großeltern war, die regelmäßig am Kaffeetisch eingegangen wurde, ob es eine Klassenfahrt ohne Internet und ohne Anschluss zur Außenwelt war, in der man irgendwie die Langeweile totschlagen musste, oder aber eine Partie Fernschach mit einem Freund, den man kaum sieht. Rituale und Einführungen hatten wir alle, und das ist es, worauf es ankommt. Schließlich ist niemand nach einer Partie einfach aufgestanden und gegangen. Hinterher kam man immer ins Gespräch, philosophierte über die Welt, analysierte das Spiel oder lachte sich gegenseitig für die zu kurz gedachten Spielzüge aus. Schach ist trotzdem ein Quell für Erinnerungen, ein Quell für Verbindungen und ein Weg, um etwas mehr über seinen Gegenüber zu erfahren. Wird er schnell wütend, agiert er überlegt, spricht er viel und ist nervös? Schach gibt Ausschlag darüber, wer wir sind. Schach macht uns zu einem Teil von etwas ganz Großem. Teil einer Geschichte, und Teil unserer Geschichte.