Schach - ein Spiel, das Brücken zwischen den Generationen schlägt

Stellt euch ein Altersheim vor. Lauter weißhaarige Männer und Frauen sitzen an einheitlich dekorierten Tischen, das Kantinenessen vor sich. Es ist still im Saal, nur das Geschirr klappert ab und zu. Bis auf einen Tisch sind alle anderen nicht voll besetzt. Es ist zwar Besuchszeit, doch keiner kommt. An diesem einen Tisch jedoch sitzen ein alter Mann und ein kleiner Junge, vielleicht gerade einmal so alt, dass er die Grundschule hinter sich gelassen hat.

Vor ihnen steht ein kleiner Kasten. Der alte Mann zieht ihn zu sich und öffnet ihn, holt ein Brett heraus und klappt es auf. Schwarze und weiße Kästchen wechseln sich ab. Auf ihnen werden Figuren platziert. Pferde, Türme, Figuren mit einem Kreuz auf dem Schädel. Es dauert nicht lang, da beugen sich beide konzentriert über das Spielbrett und blenden ihre Umgebung aus. Beide sind jetzt gleich alt, kein Knochen tut mehr weh, nur der nächste Zug zählt.

Das ist die Magie, die Schach auslösen kann. Wir geben euch heute Gründe an die Hand, warum Schach ideal ist, um auch mit Altersunterschied einen Draht zueinander zu finden.

 

1. Man kommt ins Gespräch Schach ist zwar ein Sport und das nicht ohne Grund, aber trotzdem bleibt immer etwas Zeit, um sich ein wenig auszutauschen.

Ähnlich wie bei einem besonders anstrengenden Workout hat man immer einen Partner oder Trainer dabei. Ist es ein Übungsspiel und kein Wettkampf, so gibt man sich gegenseitig Tipps und die Grenzen zwischen dem schwarzen und dem weißen König verschwimmen. So lernen Anfänger von Fortgeschrittenen und werden irgendwann ernsthafte Konkurrenz, ohne jedoch unter Druck zu stehen. Ein Sport, der Durchhaltevermögen lehrt, ohne Faulheit zu bestrafen.

2. Beide halten sich fit Egal ob Neunzig oder Zwölf, Schach hilft in jedem Alter, um das Gehirn zum Glühen zu bringen.

Treibt der gegnerische Läufer zusammen mit der Dame einen Turm in die Enge, so ist Umdenken gefragt. Fallen stellen und vorausdenken sind nichts, was man nur mit 30 können darf. Genauso ist es beeindruckend, wenn ein kleines Mädchen seine Mutter übers Ohr haut oder sich die Oma im letzten Moment aus der Klemme rettet. Schach sorgt dafür, dass man sich lebendig fühlt.

Und das sowohl während dem Spiel, als auch hinterher. Denn-hat die Partie beide beeindruckt, dann wird sie hinterher ganz sicher analysiert. Der König stand das gesamte Spiel über zu weit im Feld, der Springer war zu passiv. Die Nachbesprechung führt dazu, dass sich die Zungen lockern. Und wer weiß schon, wie lang der Abend wird, sobald man sich erst einmal festgequatscht hat?

3. Schach ist zeitlos

Schach existiert schon viel länger, als alle eure lebenden Verwandten sich erinnern können. Im alten Persien begründet, durch Staunton-Schach seit 1849 in der jetzigen Form aktuell.

Das heißt, Schach könnte eine der ältesten, weltweit bekannten Trendsportarten sein, die es gibt. Noch weit bevor Arnold Schwarzenegger das erte mal Mister Olympia wurde, der erste Schrebergartenverein gegründet war oder Jahrhunderte, bevor man überhaupt über das Internet nachdachte, zermarterten sich schon Gelehrte auf der ganzen Welt den Kopf über den nächsten möglichen Zug.

Deswegen kann auch so ziemlich jeder Mensch auf diesem Planeten etwas mit Schach anfangen. Die Regeln sind überall gleich, die Spielfiguren unterscheiden sich nicht in ihrer Funktion und das Spielbrett ist schwarz-weiß kariert, egal von welcher Seite aus man spielt. Nur mit der Figurenaufstellung könnte es Probleme geben, wenn die kurze Seite gewählt wird.

Aber das fällt dann schon auf. Aufgrund dessen können alte Menschen genauso wie Kinder mit den gleichen Chancen spielen. Oft, wie in meinem Fall, bekommt man das Schachspiel sogar von den Großeltern beigebracht. Das war praktisch, meine Eltern hatten Ruhe vor ihrem kleinen Quälgeist, konnten einen ganzen Nachmittag für sich genießen und meine Großeltern hatten Zeit mit mir. Das wurde zum richtigen Ritual, jeden Freitag nach der Schule ging es schnurstracks zu meinen Großeltern.

Mittagessen, Mittagsschlaf (man muss sich ja auch mal Ruhe gönnen) und anschließend Schach, bis entweder einer von beiden Spielern entnervt aufgab, weil nach der dritten verlorenen Partie langsam die Lust verging, oder weil meine Eltern in ein Spiel hineinschneiten und mich aus meinen Gedanken rissen. In jedem Fall war ich aber dermaßen müde am Ende des Abends, dass ich, sobald ich zuhause war, sofort ins Bett gefallen bin. Also hatten alle was davon. Meine Großeltern Gesellschaft, ich Betreuung und Zeit mit Menschen, die mir heute noch unheimlich am Herzen liegen. Und wenn ich so zurückdenke, liegt ein Großteil unserer Beziehungen an den regelmäßig stattfindenden Freitagen mit Schach, bis fe´´der Kopf gefühlt brannte.

4. Relativ einfaches Spielprinzip (Easy to learn, hard to master) Schach ist anstrengend, das ist klar.

Sonst würde es keine internationalen Meisterschaften geben, keine Stoppuhren für Zeitintervalle, keine Ratgeber für die besten Manöver und keine Biografien der Weltmeister. Sonst wäre Schach einfach nur irgendwie da. Aber, so ist es nicht. Schach ist komplex, zumindest wenn man es dazu macht. Das Spiel selbst ist nämlich einfach erklärt. Die vordere Reihe Bauern, König und Dame mittig, die Türme bilden die Eckpunkte. Jede Figur hat eigene Bewegungsmuster, Ziel ist es, den König schachmatt zu setzen.

Am Besten geht das, indem man vorher alle Figuren eliminiert, muss allerdings nicht sein. Erreichen beide nach einer gewissen Zeit kein Matt, so gilt die Partie als unentschieden. So simpel, so schnell erklärt. Das heißt, Schach bietet unheimlich viele Möglichkeiten, um auch Menschen einzubinden, deren Kopf nicht mehr auf voller Leistung arbeiten kann. Sie können trotzdem trainieren und ihre Merkfähigkeit erhalten.

Alte Menschen sind oftmals einsam, leider. Schach kann wieder Freude bringen. Und wenn es nur für ein paar Stunden ist. Hauptsache ist, sie sind mit im Geschehen.

5. Kind fühlt sich erwachsen Wie vorhin schon erwähnt, war mein Opa meine Leitfigur, was Schach betraf.

Und das lag nicht nur daran, dass er es mir beibrachte. Wenn ich einen Bauern seiner Mannschaft schlug, die Dame ausmanövrierte und schließlich den König zu Fall brachte, so fühlte ich mich ihm gleich. Ich war auf einmal nicht nur das Kind, was von seinem Opa bespaßt wurde, ich war ein vollwertiger Teil der Familie.

Dass Kinder sich als Teil des Ganzen fühlen ist genauso wichtig, wie eine gute Erziehung im Allgemeinen. So können ihnen Werte wie Fairness, Sportsgeist und Vertrauen näher gebracht werden, ohne sie direkt erziehen zu müssen. Machen Kinder etwas mit Leidenschaft, so fühlen sie sich gleich mehr wert, wichtiger, als Mensch, der Einfluss hat. Das kann mit Schach wunderbar erreicht werden. Schließlich gibt es zwar Kinderschach, aber trotzdem sind beide Mannschaften gleich stark oder gleich schwach, es kommt auf den Spieler an.

Und eins kann ich euch versprechen: Hat das Kind erst einmal begriffen, wie wertvoll die Zeit ist, die es mit euch zusammen beim spielen verbringt, werdet ihr es nicht mehr los. Ihr seht also, Schach ist etwas für jedes Alter, jeden Menschen, jede Religion. Unabhängig von sozialem Stand, Geld oder Job kommen Menschen von überall und aus jeder Altersschicht zusammen und spielen miteinander.

Sie sind friedlich, weil nur die Partie vor ihnen zählt. Schach sorgt dafür, dass wir, zumindest während dem Spiel, alle gleich viel wert sind und gleich viel können. Ein wundervoller Gedanke, findet ihr das nicht auch?